(js) Wie wir wissen, wiederholt sich Geschichte nicht. Ein Drama aber kann mit jeder Wiederholung schon ein noch größeres Drama werden. Wir reden dabei nicht von jungen Liebesabenteuern, sondern von alten Genialtricks. Die Mannschaft der AK65 des Golfclubs aus Winnerod mag nicht die besten Spieler in der 5. Hessenliga Nord haben. Aber ein Händchen für die feinen Gemeinheiten kann man ihnen nicht absprechen. Jedenfalls aus Dillenburger Sicht ist das so. Das alles natürlich nur im besten Wollen. Die wollen nämlich gewinnen. Was ohne weiteres nicht gelingt. Respektive einmal beim Ligaauftakt in Dillenburg zum Leidwesen der Gastgeber gelang. Betrübt wurde da Dillenburg, indem bei Punktegleichstand nach der Runde das beste Streichergebnis für die Winneröder entschied. Noch eine Woche später wurde beim Fairwaystammtisch fröhlich die neue Hymne gepfiffen „Der Streicher machts“.
Mit Tabellenplatz eins im Rücken ging es nun zum zweiten Ligaspiel nach Idstein. Die sahen am ersten Spieltag nur die Rücklichter und sannen auf Wiedergutmachung. Das gelang. Unangefochten wurde Idstein mit 89 Bruttopunkten Heimsieger.
Und dann? Dann drehte wieder das Golfschicksal seinen Brummkreisel. Heraus kam erneut ein Punktegleichstand von Dillenburg und Winnerod. Mit gleich erzielten 73 Bruttopunkten musste wieder das Streichergebnis zu Rate gezogen werden. Doch auch hier gab es Gleichstand. Jeder Streicher saß fest auf seinen 10 Bruttopunkten. Kein Problem. Die HGV-Regeln sehen dann vor, dass das beste Bruttoergebnis eines Spielers für seine Mannschaft entscheidet. Hier ging ein hörbares Dillenburger Aufatmen durch den Raum, als der Idsteiner Kapitän Holger Hablowetz verkündete, das sei eindeutig von einem Dillenburger erzielt. Und zwar mit 22 zu 18 Bruttopunkten so klar, dass daran selbst der HGV nicht ins Zweifeln käme. Damit schien die ausgleichende Gerechtigkeit zugunsten von Dillenburg den Ausschlag gegeben zu haben.
Doch der Streicher der Winneröder, diesmal Gerd Vonhausen, wollte das nicht auf sich und der Mannschaft sitzen lassen. In angestrengter Erinnerung beharrte er ohne Beweisunterlage seines Scorekartenabrisses darauf, er habe doch einen Bruttopunkt mehr erzielt als die Siegerliste auswies. Er wurde von seinen Mannschaftskameraden ins Gebet genommen: Gerd, bitte erinnere Dich! Was war an der 10, wie war das Ergebnis bei dem Par 3 mit linkem Wasser? Hast Du eine noch trübe Ahnung vom Realitätsverlauf auf der Langbahn mit 540 m? Gerd gab sich nicht mit solchen Einzelheiten ab. Er wollte die Gesamterinnerung gewürdigt haben. Und die sei nun mal so wie seine scoremathematische Eingebung. Und die Eingebung sage ihm 11 brutto, nicht 10., basta.
Das war natürlich nicht unbedingt eine schlagende Beweiskette, zumal die Clubmanagerin den Computer heruntergefahren und das Büro schon abgeschlossen hatte. Niemand weiß, mit welchen Jeannie-Kräften Gerd die Clubmanagerin plötzlich wieder zurück ins Clubhaus zauberte. Unter Beobachtung der Kapitäne von Idstein und Winnerod wurde die Scorekarte einer erneuten Sichtkontrolle unterzogen. Siehe da, es kam zu einer Korrektur der Scoreeingabe im elektronischen Auswertungsprogramm. Das blinkte nun eine Pünktchenvermehrung für Winnerod. Die Korrektur der Falscheingabe reichte zwar nicht zum Sieg. Aber für den zweiten Platz vor Dillenburg bei gleichem Bruttoergebnis sorgte jetzt zum zweiten Mal direkt im Folgespiel der Winneröder Streicherjoker.
Erneute Siegerehrung, Idstein interessierte sowieso keinen mehr, Winnerod ein Treppchen rauf, Dillenburg ein Treppchen runter. Die noch spärlich verbliebenen Dillenburger musste hyperventilierend zu ihren Autos begleitet werden.
Tabellenstand nach Ligaspiel zwei: GC Winnerod Platz eins 7 Punkte, GC Dillenburg Platz 2 mit 5 Punkten, Platz drei geht derzeit an Idstein mit ebenfalls 5 Punkten. Den vierten und letzter Platz belegt der GC Waldeck mit drei Punkten, hat aber den nächsten Heimspieltag als Vorteil.
Es gab auch Einzelergebnisse. Die sind aber hier nebensächlich. Weil sie insgesamt auch wenig berauschend waren, decken wir den Mantel des grünen Schweigens darüber. Neben dem besten Tageswinneröder Guido Schwarzer strengten sich mit Captain Jürgen Schreiber an: Herbert Schäty, Volker Happel, Michael Luh und natürlich Gerd Vonhausen. Als Caddie versuchte Martin Nilles das Schlimmste zu verhindern.
Wir halten fest: Das Winneröder Streicherorchester hat wieder zugeschlagen. Merke: Drama geht dann gut aus, wenn das Pech am anderen kleben bleibt. Dillenburg flaggt jetzt halbmast und gibt die Stadtrechte zurück.